Sonntag, 16. Juli 2023

Gegensatz


Weltstadt, Gosse, zu viel Gefühl,
verdammt nochmal, was ist das nur?
Im Tiefgang, Hochflug, heiß und kühl,
so anders, gleich auf weiter Flur.


Vergebens ist die Suche hier,
wonach du suchst, das wird zur Sucht.
Und findest du, bleibt’s nicht bei dir.
All was du hältst, ergreift die Flucht.


Vergiss, was immer du geglaubt
und was du für gegeben hieltst.
In dieser Stadt dem Selbst beraubt,
ein neues Selbst wem anders stiehlst.


Es stinkt und duftet überall
nach Träumen, Angst, Ekstase pur.
Belangloses im Redeschwall,
Berlin, du bist so wankend stur.


Dein Gegensatz, dein Ja und Nein,
dein bitteres und süßes Sein,
dein hoher Puls, dein ständig Eilen,
dein niemals allzu lang Verweilen,
dein Gleichmut, so bewundernswert.
Bist richtig und doch so verkehrt.
Geliebt, gehasst und ganz bestimmt
ein Ort, der alles gibt und nimmt.


Nun geh ich und will eins noch sagen,
Berlin, in allen Lebenslagen
war ich niemals so sehr bei mir.
Hab Dank, ich bin gereift an dir.


© Nicole Schönfeld 2023

Inspiriert von: Paul Kalkbrenner - Train (Berlin Calling)